Interview zu HORSEMANSHIP & Pferdeausbildung mit MEIN PFERD
Seit kurzem kooperieren wir mit der Redaktion der Zeitschrift MEIN PFERD. Hier Auszüge aus INTERVIEWS:
Fragen an Thomas Günther
Wann saßen Sie zum ersten Mal auf einem Pferd?
Das war 1997 bei einem Ausritt auf einem Appi-Wallach mit meiner damaligen Lebensgefährtin Vera Delle. Mir tat nach einer Stunde oder so von Kopf bis Fuß alles weh, obwohl ich damals sportlich top trainiert war.
Was fasziniert Sie an Pferden?
Das Faszinierendste an Pferden ist für mich die Begegnung mit der Natur und insbesondere das Spiel mit der Bewegung und Körpersprache, egal ob am Boden oder im Sattel.
Seit wann arbeiten Sie mit Pferden?
Seit ca. 16 Jahren, davon nun 10 Jahre hauptberuflich.
Welcher Reiter hat Sie persönlich am meisten geprägt?
Eigentlich kann ich da keinen Einzelnen nennen. Mich inspirieren alle Reiter, die in ihrer Art ungewöhnlich gut reiten, sei es im mentalen oder reittechnischen Zusammenspiel mit dem Pferd.
Gibt es ein Pferd, von dem Sie am meisten gelernt haben?
Mein erster Lehrmeister war ein Appi-Wallach namens Barcley, dem ich wohl den größten Teil meiner ersten Lernjahre zu verdanken habe. Er war einfach das „weltbeste“ Pferd. Danach habe ich zum Glück von hunderten Pferden lernen dürfen. Und jedes kann einem in einem bestimmten Punkt besonders gut etwas beibringen. In den letzten Jahren war es mein eigener QH-Hengst Iceman, der mir jede Menge über die richtige Mischung und ein hohes Level von Führungsqualitäten wie Dominanz, Bestimmtheit, Konsequenz, Geduld, Gelassenheit, Durchhaltevermögen, Ruhe und Power beigebracht hat.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Generell möchte ich gerne weiterhin mit unseren Pferden ein tolles und gesundes Leben leben. Und in Sachen Pferdearbeit würde ich gerne einfach der beste Horseman werden, der ich werden kann.
Warum haben Sie sich für die Westernreiterei entschieden?
Über das Westernreiten habe ich einen Zugang zum Reiten als Sport bekommen. Da ich mein Leben lang dutzende Sportarten, insbesondere Natursportarten betrieben habe und mich sportliche Bewegung und mentale Leistung sehr interessieren, war ich von der Mischung des damals noch sehr „natürlichen“ Umgangs mit dem Pferd und gleichzeitig sportlichen Zielen im Westernreitsport angetan. Nun beschäftige ich mich auch intensiv mit anderen Reitweisen. Reitweisen sind für mich heute eigentlich auch nur Disziplinen, am meisten bin ich insgesamt mehr an übergeordneter, ganzheitlicher und reitweisenunabhängiger Pferdearbeit interessiert. Westernreiten ist unter den Disziplinen aber immer noch mein Favorit.
Wer sind Ihre reiterlichen Vorbilder?
Im Westernreiten sind es verschiedene Reiter in den USA und Kanada wie z.B. Stacy Westfall, Clinton Anderson, Jonathan Field oder Eitan Beth-Halachmy. In der klassischen Reitweise sind es z.B. die Amerikanerin Karen Rohlf, Anja Beran und Philippe Karl. In der Freiheitsdressur Jean-Francois Pignon, Alexander Nevzorov und Honza Blaha.
Erinnern Sie sich an Ihr erstes Pferd?
Wie in den vorherigen Fragen schon erwähnt, war mein erster Lehrmeister und damit auch mein erstes Pferd der Appi-Wallach BARCLEY, der leider „nur“ 26 Jahre alt wurde. Er gehörte Vera, ich durfte ihn aber wie mein eigenes Pferd behandeln. Als ich mit ihm begann zu reiten, war er schon toll ausgebildet. Bereits nach einem halben Jahr ging ich mit ihm auf Turniere und er „schaukelte“ mich durch alle Prüfungen und von Pokal zu Pokal. Das war alles ganz alleine sein Verdienst. Es dauerte dann ein paar Jahre, bis man sagen konnte, dass ich ihn trainiere.
Welcher Moment mit Pferden hat Sie besonders bewegt?
Der intensivste Moment war für mich der Verlust von BARCLEY. Wir mussten ihn leider einschläfern lassen, nach immer wiederkehrenden Hufreheschüben, die durch das Cushing Syndrom ausgelöst wurden, welches wir auch mit Medikamenten nicht in den Griff bekamen. Wir waren an diesem Abend in 2011 lange bei ihm im Stall und waren dann auch beim Einschläfern dabei. Da sah ich dann all die schönen Erlebnisse mit ihm nochmal wie einen Film in meinem Kopf. Das war extrem intensiv.
Wären Sie nicht Pferdetrainer geworden...
Da ich als Diplom-Sportwissenschaftler ausgebildet bin und auch einige Jahre in diesem Beruf mit Sportlern gearbeitet habe, wäre ich wohl dabei geblieben. Es war ebenfalls ein Traumjob mit der Verbindung von Hobby und Beruf. Wäre das Unternehmen, in dem ich damals tätig war, nicht in Insolvenz gegangen, hätte ich diesen Job vielleicht nie aufgegeben. Ansonsten wäre ich auch noch gerne Musiker geworden. Das Leben ist einfach zu kurz für die vielen tollen Dinge, die man tun könnte.
Was versteht man unter Ihrem PRO RIDE Konzept? Was ist das Besondere daran...
Das PRO RIDE Konzept ist ein Ausbildungs- und Trainingskonzept mit ganzheitlichem Ansatz. Wir trainieren und unterrichten dazu in den Bereichen übergeordnete und spezialisierte Pferdearbeit, Horsemanship-Verhalten, körperliche und mentale Fitness, Knowhow rund um das Pferd und den Reitsport. Es ist ein effektives Ausbildungssystem für Pferd und Mensch. Besonderheit dabei ist die Verknüpfung von Horsemanship Konzepten und sportlichem Reiten.
Wie sind Sie dazugekommen, bei dem Trainercontest 2010 und auch dieses Jahr mitzumachen?
In 2010 wurde ich zum 1. Westernhorse Trainer Contest eingeladen und fand das eine tolle Idee. Zum Finaltermin war in einem Nachbarstall ein Fall von infektiöser Anämie aufgetreten und wir lagen in der Sperrzone, d.h. 3 Monate lang durfte kein Pferd aus dieser Zone raus. Und somit konnte ich mit meinem Contest-Pferd nicht mehr teilnehmen. Deshalb durfte ich bei der zweiten Auflage des Contests erneut teilnehmen.
Was zeichnet die Quarter Horse-Stute „Nele“ aus, die Sie bei dem Contest zugeteilt bekommen haben? Wie haben Sie die Stute gearbeitet?
Nele ist ein sehr starkes und selbstbewusstes Pferd und hat gleichzeitig auch sehr starkes Fluchtverhalten an den Tag gelegt. Ein Pferd, welches man eher in die Kategorie „schwierig“ einordnen würde. Wir sagen dazu: Es ist einfach nur „viel Pferd“. Ich persönlich mag Pferde mit viel Power. Im ersten Monat stand der Aufbau der generellen Zusammenarbeit im Vordergrund mit viel Desensibilisierung für die Coolness und Sensibilisierung zum Kommunikationsaufbau. Hier nutze ich sehr intensiv die Freiarbeit, um mir ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, Respekt und Vertrauen aufzubauen. Im zweiten Monat ging es beim Reiten um die Basiskontrolle, erste Rittigkeit und Arbeit in unterschiedlicher Umgebung wie Halle, Reitplatz, Hindernisparcours, Gelände. Neben der Festigung der Basis haben wir im dritten Monat schon einiges an Basislektionen und westernspezifischen Elementen arbeiten können. Nele arbeitet am besten mit, wenn sie viele Dinge angeboten bekommt, sonst wird es ihr schnell „langweilig“ und ihre Aufmerksamkeit gilt dann mehr der Umgebung. Ein super Pferd mit hohem Anspruch an den Reiter.
Was ist Ihr Ziel bei der Ausbildung von Pferden? Worauf legen Sie besonders Wert?
Am meisten lege ich Wert auf eine echte Zusammenarbeit und ein Höchstmaß an Verständnis. Ich möchte den Fokus des Pferdes voll und ganz bei mir haben und Pferde so trainieren, dass sie sich zu coolen, leistungsstarken und belastbaren Pferden entwickeln, die die Anforderungen „unserer Welt“ und ihre Aufgaben verstanden haben.
Worauf achten Sie, um Neigungen und Talente eines Pferdes auszumachen, beispielsweise bei der Bodenarbeit? Woran erkennen Sie die Neigungen und Talente eines Pferdes?
Zuerst kommt es mir darauf an, was das Pferd mental anbietet. Ob es z.B. eher zu oder abgewandt ist. Ich nehme dann erstmal jedes Angebot von Zuwendung an. Bei abgewandten, uninteressierten Pferden muss ich mir das Zuwenden mehr erarbeiten bzw. verdienen. Dann ist interessant, ob es sich selbstbewusst, dominant, neugierig, zurückhaltend, wach, ignorant, entspannt oder verspannt verhält. Sehr viel achte ich in der Bodenarbeit auf den Umgang des Pferdes mit Druck, Einwirkung und Energie. Zeigt das Pferd bei Oposition z.B. mehr Flucht- oder Kampfverhalten. Über die Neigung zu mehr oder weniger Motivation für Bewegung bzw. Energie erfährt man in der Bodenarbeit ebenfalls sehr viel. Ich achte auf das Talent in den Bewegungen des Pferdes, z.B. für Dynamik, Koordination, Balance, Weichheit und Leichtigkeit in den Gangarten, den Wendungen, in Rückwärts, Seitwärtsbewegungen und im Absolvieren von Hindernissen.
Wie sieht die Grunderziehung / -ausbildung eines Pferdes aus, nachdem Sie seine Neigungen und Talente erkannt haben? Ist die Ausbildung darauf konzentriert oder trotzdem breiter gefächert?
Die Basisausbildung ist bei uns sehr breit angelegt. Viele Dinge unserer Welt muss ein Pferd zunächst unabhängig von seinen Neigungen und Talenten lernen zu verstehen. Erst dann macht es Sinn, seinen Neigungen entsprechend weiter auszubilden. Man kann seine Neigungen und Talente jedoch schon früh in der positiven Verstärkung verschiedener Übungsabläufe und Ausbildungsschritte zur Motivation nutzen.
Wenn die Neigung eines Pferdes in Richtung „Kopf durchsetzen“ geht, wie trainieren Sie das Pferd, dass es sowohl entsprechend seiner Neigung trainiert wird, als dass es auch lernt, Respekt zu zeigen und Vertrauen aufzubauen?
Zunächst muss man hier sehr deutlich unterscheiden, ob ein Pferd wirklich seinen Kopf durchsetzen will oder ob es nur seinen Instinkten folgt, die ja jede Menge Opposition und Gegendruck mit sich bringen. In den ersten Lernschritten einer Übung kann Gegendruck sogar sehr nützlich sein, denn damit versucht das Pferd eine Lösung zu finden. Ich brauche dann einfach viel Geduld und ein gutes Timing, darauf zu warten, dass das Pferd einen Versuch in die richtige Richtung unternimmt. Besonders deutlich wird dies z.B. beim Lernen, auf Zügeldruck nachzugeben. Hier macht das Pferd von Natur aus auf jeden Fall Gegendruck, denn ein Fluchttier wehrt sich aus „Sicherheitsgründen“ instinktiv gegen kontrollierende Einwirkung am Kopf. Das Gute daran Gegendruck fühlt sich für ein Pferd nicht gut an und bekommt es eine andere Idee wird es sich auf Dauer für das Nachgeben entscheiden. Ein sehr hartnäckiges Pferd wird dann obwohl es das Verstanden hat, meist trotzdem noch einige Zeit auf sein natürliches Verhalten bestehen und sich nicht so leicht ändern lassen. Je mehr wir ihm jedoch etwas Spielraum für seine Erfahrungen lassen und auf das Pferd warten bis es nachgibt, desto öfter wird es zu seiner Idee. Und Pferde, die zunächst ihren Kopf gegen unsere Ideen durchsetzen wollen, werden später ihren „Dickkopf“ dann auch für unsere Ideen einsetzen. Ist nur viel Geduld, Konsequenz und gutes Timing nötig. Wenn wir Druck nur einsetzen, um ein unbequemes Gefühl zu erzeugen und nicht mit dem Gedanken uns durchzusetzen, wird unser Pferd bei gutem Timing immer für seine Ideen dem Druck nachzugeben mit einem angenehmen Gefühl bestätigt. Und wenn ein noch so „dickköpfiges“ Pferd seine eigene Idee zu unseren Einwirkungen entwickeln darf, wird es auf Dauer dafür motiviert sein die von uns bestätigten Reaktionen zu zeigen.
Als sehr krasses Beispiel kann hierfür das Steigen bei Druck von Vorne z.B. bei Rückwärtsschicken sein. Deutet ein Pferd ein Steigen an, wenn man es zurückschicken möchte, dann bestätigen die meisten dies mit Druck wegnehmen. Man sollte natürlich schauen, dass man seinen Druck auch verständlich aufgebaut hat. Es kann trotzdem mal dazu kommen. Behält man jedoch den Druck bei und wartet auf eine kleine Reaktion in die gewünschte Richtung und sei sie noch so minimal, wird das Pferd sich dies sehr gut merken und es als seine Idee ansehen, doch besser zurück zu weichen. Denn wir haben auf die falsche Reaktion nicht emotional reagiert, nur so viel Druck benutzt bis das Pferd eine Lösung angeboten hat und haben auf die richtige Antwort gewartet. Dies ist natürlich nicht leicht in einer solchen Situation, doch wenn es uns gelingt, so vorzugehen werden wir auch bei den „größten Dickschädeln“ Erfolg haben.
Ein Pferd ist sehr scheu und neigt zum Weglaufen – wie trainieren Sie es, sodass die Ausbildung fortan stressfrei wird?
Als ersten Ausbildungsschritt erarbeite ich mir immer das Folgen. Wir nennen unsere erste Übung „Einfangen und natürliches Folgen“. Dabei benutze ich Annäherung und Rückzug im natürlichen Verständnis des Pferdes. Bevor ein Pferd mir nicht entgegenkommt und folgt arbeite ich nicht mit ihm. Dies gelingt mir jedoch immer in der ersten Trainingseinheit dauert meist nicht lange, macht aber einen großen Unterschied in der Psyche des Pferdes. Dabei ist wichtig, nicht mit unnötigem Herumjagen und ohne Bestechung (Futter) zu arbeiten. Dieses Folgen muss völlig „Lektionsfrei“ sein, das Pferd muss dazu die Entscheidung treffen. Es muss sich so zum Folgen entscheiden, dass ich es nicht dazu auffordern muss. Das heißt, wenn es sich dazu entschieden hat, kann ich mich einfach wegdrehen und gehen und das Pferd folgt.
Damit denkt das Pferd dann nicht mehr so viel weg von mir, gibt mir Aufmerksamkeit und Focus für das weitere Vorgehen. Danach ist wichtig, dass ein Pferd generell und insbesondere das scheue Pferd alle möglichen Arten von Druck kennenlernt und zwar insbesondere dabei wann es angesprochen ist bei Druck und wann nicht. Mit sehr detailliertem Vorgehen in der sogenannten Desensibilisierung lernt mein Pferd, erst zu denken dann zu handeln und nicht mehr vor allen Dingen davon zu laufen.
Dominante Pferde neigen dazu, den Reiter bzw. Besitzer nicht als Ranghöheren zu betrachten und ihm keinen Respekt entgegenzubringen – was würden Sie als Trainer in einer solchen Situation raten?
Generell rate ich den Pferdebesitzern sich immer sehr bestimmt gegenüber ihrem Pferd zu verhalten. Bestimmt bedeutet für ein Pferd, dass es vom Ranghöheren immer einen Raum bzw. eine Position zugeteilt bekommt und dass es von diesem in alle Richtungen bewegt wird. Der Mensch muss unbedingt immer auf seinen individuellen Raum achten. Diesen sollten wir immer definieren und über Distanz und Nähe die Bestimmtheit behalten. Meist spielt sich das schon im gesamten Umgang ab. Tipps dazu: Bekommt das Pferd beim Führen eine Position hinter uns zugewiesen, hat es diese immer einzuhalten. Wenn es gegen den Menschen drückt sollte dieser das Pferd immer direkt zurück auf Distanz schicken, z.B. mit einer Armbewegung, mit der gezielten Bewegung eines Seilendes oder einer Gerte. Falls das Pferd hier sehr massiv ist, ist durchaus ein leichtes Touchieren der Nase von Vorteil. Denn sehr massive Pferde reagieren hier an der Brust oder auf einen Zug an der Zäumung nicht mehr ausreichend. Wichtig nach deutlicher Einwirkung immer mit der Hand oder der Gerte wieder Streicheln bzw. Abstreichen damit das Pferd nicht auf Dauer Kopfscheu reagiert.
Meist bewegen wir unser Pferd auch zu wenig im Alltagshandling, d.h. wir weichen oft zurück, gehen um das Pferd herum, nur damit es sich ja nicht zu Seite bewegen muss. Damit wirkt der Mensch völlig unbestimmt und unterwürfig auf sein Pferd. Am besten bewegt man das Pferd ständig in allen Situationen so, dass es sich nach uns und für die entsprechende Situation ausrichten muss. Z.B. kann ich mein Pferd schon beim Putzen ständig etwas bewegen, mal einen Schritt zurück, mal zur Seite, geradeso, dass ich immer überall hinkomme wo ich hinmuss.
In unseren Ausbildungen üben wir mit den Menschen insbesondere über die Freiarbeit das Verständnis für sicheres Auftreten mit Führungsqualitäten aus der natürlichen Sicht des Pferdes, nämlich mit Bestimmtheit und Klarheit über Richtung, Bewegung und Raum.
Verspielte Pferde dagegen nehmen das Training der Bodenarbeit oft nicht ernst. Gibt es hier hilfreiche Tipps und Tricks, damit die Bodenarbeit erfolgreich wird?
Bei verspielten Pferden nutze ich die Energie gerne für die Übungen. Die Menschen sind ihren Pferden oft viel zu langweilig. Gerade in der Bodenarbeit werden oft simple Basisübungen immer und immer wieder viel zu gleichmäßig und durchschaubar durchgekaut. So wie das Pferd das Grundkonzept der Basics verstanden und angenommen hat, ist es sinnvoll viele Übungskombinationen völlig willkürlich und spielerisch aneinander zu reihen. Und die meisten arbeiten sehr wenig mit Power und Dynamik. So nach dem Motto immer schön ruhig machen, damit das Pferd ruhig bleibt. Das funktioniert bei verspielten Pferde allerdings nicht gut.
Weiterhin nutze ich gerne unzählige Hindernisaufbauten und Kombinationen mit Stangen, Planen, Tonnen, Pylonen, Bällen u.v.m. Und natürlich auch Hindernisse draußen, wie Hänge, Gräben, Wasser, Baumstämme und … und … und
Wir dürfen Pferde ruhig öfter mal überraschen mit unseren Übungen, Situationen und Abläufen, damit sie neugierig auf uns bleiben und ihre Spielenergie positiv einsetzen.
Was ist das Besondere an der Ausbildung junger Pferde im Gegensatz zu bereits gerittenen Pferden?
Das besondere an jungen bzw. roheren Pferden ist für mich die Unverfälschtheit ihrer Reaktionen. Man kann sie so schnell und problemlos prägen. Was die generelle Pferdearbeit angeht sind mir am liebsten völlig rohe Pferde, z.B. von großen Aufzuchtkoppeln ohne jegliche Ausbildung. Natürlich ist es angenehm, wenn ein Pferd eine tolle Grunderziehung am besten schon im Fohlenalter genossen hat, allerdings legen mir die meisten nicht auf die für mich relevanten Dinge wert.
Ein junges Pferd beim Anreiten prägen zu dürfen und mitzuerleben, wie schnell Pferde verstehen und was sie bewegungsmäßig alles von Natur aus können, ist für mich ein besonderes Privileg.
Die ersten Wochen der Reitausbildung sind aus meiner Sicht die wichtigsten, intensivsten und spannendsten im Leben eines Reitpferdes.
Wie motivieren Sie Pferde zum Mitarbeiten?
In erster Linie über Verständnis. Darüber sind die meisten Pferde bereit viel zu geben. An zweiter Stelle stehen für mich Vertrauen und Respekt. Und dann achte ich im Übungsaufbau und der spezialisierten Ausbildung auf die Talente und Neigungen des Pferdes.
Die wichtigsten Prinzipien zur Motivation sind mir in der Arbeit mit Annäherung und Rückzug, mit Sicherheit und Komfort zu arbeiten.
Einer der größten Motivationen für ein Pferd, mitzuarbeiten und eine gewünschte Lektion auszuführen, sehe ich darin es zu schaffen, ihm eine Komfortzone anbieten zu können. Das fällt uns oft sehr schwer. Möchte ich z.B., dass mein Pferd motiviert galoppiert, müssen meine Einwirkungen dafür so reduziert bzw. druckfrei sein, dass ich meinem Pferd darüber während des Galopps Komfort anbieten kann. Oder möchte ich ein motiviertes Pferd im Kruppeherein haben, so muss es in dieser Lektion eine Komfortzone erkennen. Meine Hilfen dürfen also nur noch angedeutet sein und keinen Druck mehr ausüben, wenn es in dieser Stellung zwischen meinen Hilfen ist.
Möchte ich, dass mein Pferd einfach nur entspannt mit mir überall hingeht, dann muss ich ihm Sicherheit und Komfort über die Qualität meiner Führung bieten.
Weiterhin bleiben Pferde motiviert, wenn man alles in kleinen Teilschritten erarbeitet und somit viel Annäherung und Rückzug nutzt. So gehen Verständnis, Vertrauen und Respekt nicht verloren.
Die Neigungen und Talente des Pferdes können uns darüber hinaus noch helfen die Arbeit auf Dauer dahin zu steuern, was ihnen am besten liegt und sie dadurch motiviert werden, dass es ihnen leichtfällt. Z.B. für eine bestimmte Disziplin zu trainieren, für die sie Talent haben oder für die sie sich besonders eigenmotiviert engagieren. Viele Pferde zeigen z.B. an Hindernissen Ehrgeiz oder vielleicht beim Treiben von Kühen oder einfach einem Ball. Viele Pferde lassen sich, nachdem sie die Grundkontrolle verstanden und akzeptiert haben, hervorragend im Gelände zu Training und auch Dressurarbeit motivieren.
Insgesamt gesehen trägt eine sehr vielfältige und breit angelegte Ausbildung mit unterschiedlichsten Elementen von Arbeit und Spiel mit einer Balance von Energie und Entspannung im Zusammensein mit dem Pferd zur Motivation bei.
Woran erkennen Sie die individuellen Bedürfnisse eines Pferdes?
Am besten erkenne ich im Training die Bedürfnisse des Pferdes an seinem äußeren Erscheinungsbild, dem Fitness- und Gesundheitszustand, dem Grad seiner Losgelassenheit, dem Motivationsgrad, sowie an seinen Bewegungs- und Verhaltensmustern. Daraus lassen sich gut die Bedürfnisse für Haltung, Fütterung, Training und Handling ablesen.
Bei der freien Bodenarbeit soll der Mensch das Pferd „einfangen“ - was bedeutet dies? Was bedeutet es außerdem in Bezug auf Neigungen und Talente eines Pferdes?
Mit Einfangen ist gemeint, dass der Mensch es schaffen soll, dass sein Pferd zu ihm kommt und im folgt. Und damit seine Aufmerksamkeit und seinen Focus einzufangen. Dies soll der Mensch mit dem natürlichen Prinzip von Annäherung und Rückzug erreichen. Nähern wir uns einem Pferd an ist dies aus natürlicher Sicht eine Art Druckaufbau. Gibt uns das Pferd daraufhin eine kleine Andeutung von Zuwendung bzw. Näherkommen ist die beste Bestätigung ein Rückzug, d.h. wir wenden uns ab und gehen auf Abstand oder dann ganz reduziert gesehen lehnen wir uns zurück. Meist nähert man sich dazu eher der Hinterhand an, übt mit dem Aufbau von Körperenergie, einem Schnalzen und / oder mit einem Seilende oder einem Stick aus der Entfernung einen Druck aus und geht dann, wenn eine Reaktion (Ohrenstellung, Kopfbewegung, Bewegung der Vorhand) in die Richtung des Menschen kommt von der Nase des Pferdes aus gesehen auf Rückzug. Nur wenn das Pferd mit der Absicht kommen sollte uns wegzutreiben (z.B. angelegte Ohren), schicken wir es sofort wieder weg, damit es nur zu uns kommt, mit der Einstellung, sich wenn es drauf ankommt auch wegtreiben zu lassen. Die richtige mentale Einstellung des Pferdes für das wie wir es nennen „natürliche Folgen“ und damit das Annehmen unserer Führung, lässt sich nicht wie eine Zirkuslektion z.B. mit Futter erarbeiten.
Die Neigungen des Pferdes in Bezug auf Neugier und Interesse gegenüber dem Menschen beeinflusst dies natürlich. Bei sehr abgewandten oder scheuen Pferden braucht man meist etwas länger bis sie dies annehmen. Das erste deutliche Folgen gaben mir jedoch selbst extrem schwierige Pferde in der ersten Begegnung bis jetzt immer in weniger als einer Stunde (innerhalb einer kleinen Koppel, der Reithalle, des Reitplatzes oder des Roundpens). Und sollte ein Pferd sehr selbstbewusst, dominant und dazu noch völlig uninteressiert sein, dann hat man durchaus mal ein paar Wochen oder Monate mit Wiederholungen zu tun, dieses Pferd zu einem verlässlichen jederzeit abrufbaren „Einfangen und Folgen“ zu motivieren.
Wichtig ist das Vorgehen des „Einfangen und Folgens“ überall anzuwenden. In der Box, auf dem Paddock, auf der Koppel, auf dem Reitplatz, in der Reithalle usw. Damit wird es dem Pferd zur Gewohnheit „vollkommen“ bei uns zu sein.
Anfang Dezember werden Sie auf der Messe „Pferd und Jagd“ Teile Ihres Konzeptes vorstellen. Wissen Sie schon, welche Elemente Sie zeigen und warum Sie genau diese vorstellen möchten? Welche Pferde werden Sie mitnehmen und warum diese?
Sehr gerne möchte ich auf der Pferd & Jagd die Möglichkeiten der Kommunikation am Boden und beim Reiten im Hinblick auf das natürliche Verständnisses des Pferdes für das Spiel mit Bewegung und Richtung, sowie der dafür menschlichen Einwirkungen darstellen. Insbesondere möchte ich dies in der Freiarbeit mit zwei meiner Pferde demonstrieren. Mir ist wichtig, dass sich der Mensch stetig darin weiterentwickelt, das Pferd in seinem Denken und Handeln zu verstehen und sich seinem Pferd dadurch besser verständlich zu machen.
Die beiden Pferde werden sein SALLY, eine 20jähirge QuarterHorse Stute und MEGAN, eine 5jähirge Quarter-Hafi-Mix Stute. Diese beiden können zeigen, dass diese Arbeit nicht altersabhängig und auch mit unterschiedlich weit ausgebildeten Pferden möglich ist.